Schaufenster in die Reformationsgeschichte

Das Ausstellungsmodul des Projekts präsentiert in einem „Schaufenster“ ausgewählte Dokumente aus der Reformationszeit. Ergänzend zum Digitalisat finden sich jeweils eine Transkription, eine historische Erläuterung und eine Übertragung ins moderne Deutsch, in einigen Fällen auch ins Englische. So werden die Inhalte auch für den heutigen Leser mit geringeren Vorkenntnissen verständlich.
 

Die Dokumente sind verschiedenen, teils auch mehreren Schlagworten zugeordnet. So findet man z. B.  die Bannandrohungsbulle gegen Martin Luther unter „Leo X.“ oder unter „Martin Luther“ wieder.

Viel Vergnügen beim Stöbern und Erkunden!

Luthers Testament mit einem eigenhändigen Vermerk Philipp Melanchthons

Signatur:
ThHStAW, EGA, Reg. N 182
Seitenangabe:
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Datierung:
6. Januar 1542
Überlieferungsform:
Abschrift
Wichtige Orte:
4066640-2
Verweis auf andere Quellen:
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, EGA, Reg. N 182, Bl. 4v-5r [Luthers „erstes Testament“, aus der Erinnerung niedergeschrieben von Johannes Bugenhagen, 1537].
D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Briefwechsel. 9. Bd. 1540 - 28. Februar 1542. Weimar 1941, Nr. 3699, Beilage I, S. 574-576 [Luthers Testament im Wittenberger Gerichtsbuch vom 01.02.1544].
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, EGA, Reg. N 182, Bl. 92 [Kurfürst Johann Friedrichs Bestätigung des Testaments Luthers vom 11.04.1546].
Historische Einordnung:
Im Jahr 1525 heiratete der Reformator Martin Luther die ehemalige Nonne Katharina von Bora, die im Jahr 1523 mit einigen ihrer Mitschwestern aus dem Zisterzienserinnenkloster Nimbschen geflohen war. Hatte das frisch vermählte Paar anfangs kaum Vermögen aufzuweisen, so vergrößerte sich der Besitzstand der Eheleute im Laufe der Jahre. Auch die Familie wuchs beständig. So bekamen Katharina und Martin Luther zwischen 1526 und 1534 sechs Kinder, wobei eines der Mädchen bereits im Alter von acht Monaten, eine weitere Tochter im September des Jahres 1542 im Alter von 13 Jahren verstarb.
Sicherlich wollte Martin Luther seine Ehefrau und seine Kinder immer gut versorgt wissen. Und da er in seinem Leben mit verschiedenen Krankheiten zu kämpfen hatte, scheint es nicht verwunderlich, dass er auch über die Regelung seiner Angelegenheiten für den Fall seines Todes nachdachte. Zudem war mit dem größer gewordenen Besitz der Familie einige Jahre nach der Heirat auch die Notwendigkeit, die Verteilung des Vermögens im Erbfall festzulegen, gewachsen.
Im Jahr 1537 setzte sich Luther ein erstes Mal mit der Frage der Regelung seines Nachlasses auseinander. Er hielt sich gerade in Schmalkalden auf, als er im Februar desselben Jahres wiederholt unter Nierenkoliken litt und sein Zustand kritisch wurde. Auf der Heimreise vertraute er daher seinem Begleiter, dem Reformator Johannes Bugenhagen, vorsorglich seinen letzten Willen an. Bugenhagen verschriftlichte dieses „erste Testament“ Luthers später aus seiner Erinnerung für den sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich. Nachdem Luther 1541 erneut unter einer schweren Erkrankung gelitten hatte, verfasste er im Januar des folgenden Jahres ein zweites Testament. Eine Abschrift desselben, die heute im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar aufbewahrt wird, ist hier online zugänglich gemacht. Das Original befand sich zunächst einige Zeit im Privatbesitz der Gelehrtenfamilie Carpzov, bevor es Anfang des 19. Jahrhunderts nach der Versteigerung des Nachlasses Johann Benedict Carpzovs als Schenkung in die Sammlung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn nach Budapest gelangte.
Behandelte Luthers „erstes Testament“ die Versorgung seiner Familie weniger ausführlich, so dachte Luther bei der Abfassung seines Testaments von 1542 vor allem an die Absicherung seiner Frau Katharina. Nach geltendem Recht hätte Luthers Ehefrau nach dessen Tod nur das am Morgen nach der Hochzeit von ihrem Mann gemachte Brautgeschenk und einige persönliche Gegenstände, wie Kleidung oder Schmuck, behalten dürfen. Die anderen Besitztümer wären den Kindern des Ehepaars zugefallen. Martin Luther wollte jedoch, dass seine Frau nach seinem Tod Alleinerbin seines Eigentums sein sollte und setzte 1542 daher die hier vorliegende Verfügung auf. Um die erbrechtlichen Regelungen zu umgehen, bezeichnete er die Übertragung seines Eigentums an seine Frau dabei als Schenkung bzw. als die Einräumung lebenslanger Nutzungsrechte an seinen Besitztümern. Im Einzelnen überschrieb er ihr das Landgut Zülsdorf, welches er im Jahr 1540 von seinem Schwager Hans von Bora erworben hatte. Außerdem sollte sie das Haus, das Luther 1541 dem Pfarrer Bruno Bauer abgekauft hatte, sowie etliche Gold- und Silbergegenstände erhalten. Dieses Zugeständnis begründete Luther mit dem treuen, respektvollen Verhältnis der Ehepartner zueinander. Zudem setzte er Katharina für den Fall seines Todes als Vormund für die gemeinsamen Kinder ein. Denn er ging fest davon aus, dass sie ihren eigenen Kinder niemals schaden oder diese übervorteilen würde, wohingegen er beispielsweise künftigen Schwiegersöhnen oder Schwiegertöchtern mögliche Missgunst unterstellte. Hiermit wandte sich Luther bewusst gegen die bestehende Notwendigkeit, anderweitige Vormunde für die Kinder einzusetzen. So räumte er in seinem Testament auch selbst ein, sich bei dessen Abfassung nicht an alle juristischen Formalitäten gehalten zu haben.
Um seine Verfügung in Anbetracht der eigentlichen Rechtslage zusätzlich abzusichern, richtete Luther in derselben zugleich einige Worte an den sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich und bat diesen, die Umsetzung seines letzten Willens sicherzustellen. Im Februar 1544 ließ er die zugunsten Katharinas getroffenen Regelungen zudem ins Gerichtsbuch der Stadt Wittenberg eintragen. Nachdem Luther am 18. Februar 1546, vier Jahre nach der Abfassung seiner letztwilligen Verfügung, verstorben war, bekräftigte der Kurfürst am 11. April des gleichen Jahres schließlich Luthers Testament.
Übersetzung:
Luther’s testament with a handwritten note by Philipp Melanchthon, January 6, 1542

In 1525, reformer Martin Luther married former nun Katharina von Bora, who had fled the Cistercian convent in Nimbschen with some of her fellow nuns in 1523. While the newlywed couple initially had little wealth, their possessions grew over the years; as did their family. Katharina and Martin Luther had six children between 1526 and 1534. One of the girls died at the age of eight months, followed by another daughter in September 1542 at the age of 13.
Certainly Martin Luther wanted to know his wife and children would be well taken care of - and since he struggled with various ailments throughout his life, it is hardly surprising that he gave a great deal of thought to getting his affairs in order for the event of his death. Moreover, the need to determine the distribution of assets upon inheritance had increased along with the wealth of the family a few years after the wedding.
In 1537, Luther started looking into the question of settling his estate. He was in Schmalkalden at the time, when in February of the same year he suffered from repeated attacks of renal colic and his condition became critical. On his way home, by way of a precaution, he therefore entrusted his will to his companion, reformer Johannes Bugenhagen. Bugenhagen later put Luther’s “first testament” in writing from memory for the Saxon Elector John Frederick. After suffering another severe illness in 1541, Luther wrote a second will in January of the following year. A copy of this will, which is now kept in the Thuringian State Archive in Weimar, is available online here. The original was initially in the private possession of the Carpzov family of scholars before it came to Budapest as an endowment to the collection of the Evangelical Lutheran Church in Hungary at the beginning of the 19th century after the auction of the estate of Johann Benedict Carpzov.
While Luther’s “first testament” addressed the provisions to be made for his family in less detail, when writing his will in 1542, Luther thought mainly about the welfare of his wife Katharina. Under the applicable law, after his death, Luther’s wife would only have been allowed to keep the bridal gift she had received from her husband on the morning after the wedding as well as personal items, such as clothing or jewelry. The other possessions would have fallen to the couple’s children. Martin Luther, however, wanted his wife to be the sole heir of his property after his death and therefore drafted the present provisions in 1542. To circumvent the rules of inheritance, he described the transfer of his property to his wife as a gift or rather the granting of a lifelong usufruct concerning his possessions. Specifically, he signed over to her the Zülsdorf estate, which he had acquired from his brother-in-law Hans von Bora in 1540. Furthermore, she was to receive the house that Luther had bought from the priest Bruno Bauer, as well as several gold and silver items. Luther justified this concession by referring to the mutually faithful and respectful relationship between the spouses. In the event of his death, he also appointed Katharina as guardian of their children, for he was firmly convinced that she would never harm her own children or take advantage of them, while he implied there might be some malevolence on the part of future sons or daughters-in-law, for example. In this regard, Luther deliberately flouted the existing requirements regarding the appointment of other guardians for the children. In his will, he himself admitted to have failed to comply with all legal formalities while drafting the document.
In order to further safeguard his provisions in the light of the actual legal situation, Luther included a few words to the Saxon Elector John Frederick, asking him to ensure the execution of his will. In February 1544, he also registered the arrangements in favor of Katharina in the court register of Wittenberg. After Luther died on February 18, 1546, four years after writing his last will, the Elector finally corroborated Luther’s will on April 11 of the same year.
Literatur:
Karin Bornkamm, „Gott gab mir Frau und Kinder.“ Luther als Ehemann und Familienvater, in: Wartburg-Stiftung Eisenach (Hrsg.), Wissenschaftliches Kolloquium „Der Mensch Luther und sein Umfeld“ vom 2.-5. Mai 1996 auf der Wartburg. (Wartburg-Jahrbuch, Sonderband.) Eisenach 1996, S. 63-83, hier S. 82.
Tibor Fabiny, Martin Luthers letzter Wille. Das Testament des Reformators und seine Geschichte. Berlin 1983.
Nachweis früherer Editionen:
D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Briefwechsel. 9. Bd. 1540 - 28. Februar 1542. Weimar 1941, Nr. 3699, S. 571-574.
Karl Eduard Förstemann [Hrsg.]: D. Martin Luther’s Testamente aus den Jahren 1537 und 1542, nebst urkundlichen Nachrichten über des letzteren Vollstreckung im Jahr 1546 und über Luther’s Wittwe und Kinder. Zur dritten Säcularfeier des Todes Luther’s. Nordhausen 1846, Nr. 2, S. 25-29.
Martin Luther, Briefe, Sendschreiben und Bedenken vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet von Wilhelm Martin Leberecht de Wette. 5. Teil. Luthers Briefe von Schließung der Wittenberger Concordia bis zu seinem Tode. Berlin 1828, S. 422-425.
Christian Franz Gottlieb Stang, Martin Luther. Sein Leben und Wirken. Leipzig/Stuttgart 1835, S. 895-896.
Bemerkung:
Englische Übersetzung: Claudia Jones.