Schaufenster in die Reformationsgeschichte

Das Ausstellungsmodul des Projekts präsentiert in einem „Schaufenster“ ausgewählte Dokumente aus der Reformationszeit. Ergänzend zum Digitalisat finden sich jeweils eine Transkription, eine historische Erläuterung und eine Übertragung ins moderne Deutsch, in einigen Fällen auch ins Englische. So werden die Inhalte auch für den heutigen Leser mit geringeren Vorkenntnissen verständlich.
 

Die Dokumente sind verschiedenen, teils auch mehreren Schlagworten zugeordnet. So findet man z. B.  die Bannandrohungsbulle gegen Martin Luther unter „Leo X.“ oder unter „Martin Luther“ wieder.

Viel Vergnügen beim Stöbern und Erkunden!

Artikel des Frankenhäuser Haufens

Signatur:
HStAD, 10024, Loc. 9133/11
Seitenangabe:
Array
Datierung:
zwischen 3.5. und 5.5.1525
Überlieferungsform:
Ausfertigung
Wichtige Orte:
4018101-7
Verweis auf andere Schaufensterdokumente:
Verweis auf andere Quellen:
vgl. dazu den Brief des Grafen Botho von Stolberg-Wernigerode an Herzog Georg von Sachsen vom 4.5.1525: Edition in: Walther Peter Fuchs (Hrsg.), Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland. Bd. 2. Jena 1942, Nr. 1312, S. 196f.; Reiner Groß/Manfred Kobuch/Ernst Müller (Red.), Martin Luther 1483-1546. Dokumente seines Lebens und Wirkens. Dokumente aus staatlichen Archiven und anderen wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik. Im Jahre des 500. Geburtstages Martin Luthers mit Unterstützung des Martin-Luther-Komitees hrsg. v. der Staatlichen Archivverwaltung der DDR. Weimar 1983, Nr. 115, S. 160, 356.
Edition der 14 Artikel der Aufständischen von Frankenhausen (Anfang Mai 1525): Walther Peter Fuchs (Hrsg.), Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland. Bd. 2. Jena 1942, Nr. 1269, S. 168f.; Teiledition der 14 Artikel in: Manfred Kobuch/Ernst Müller, Der deutsche Bauernkrieg in Dokumenten. Aus staatlichen Archiven der Deutschen Demokratischen Republik. Anläßlich des 450. Jahrestages des deutschen Bauernkrieges hrsg. v. der Staatlichen Archivverwaltung in Verbindung mit den Staatsarchiven Dresden und Weimar. Weimar 1977, Nr. 25, S. 66f.
Protestartikel der Bauern von Obhausen bei Querfurt: Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Standort Wernigerode, 392, Bl. 3r-v (ebenfalls Schaufensterdokument)
Historische Einordnung:
Frankenhausen war ein Zentrum des „Bauernkriegs“, der seinen Höhepunkt im Frühjahr 1525 erreichte. Neben Mitteldeutschland waren weite Teile des heutigen Süddeutschlands, der Schweiz und Österreichs vom Aufstand der Bauern und Bürger betroffen.
Die Ursachen des Aufstands waren so verschieden wie die unterschiedlichen Regionen, in denen er Verbreitung fand. Einer der Gründe lag in der schlechten wirtschaftlichen Situation weiter Teile der Landbevölkerung, die sich durch vermehrte Abgaben und Missernten noch zuspitzte. Weil die Höfe im Thüringer Raum in der Regel unter den erbenden Söhnen geteilt wurden, wurden sie zudem immer kleiner und genügten oft nicht mehr für den Lebensunterhalt. Der Ausbau des frühmodernen Territorialstaats führte neben neuen Belastungen zur Einschränkung der Nutzungsrechte von früher gemeinsam genutztem Eigentum (Wälder, Wiesen, Gewässer) und der politischen Freiheiten der ländlichen und städtischen Gemeinden. Ein wesentlicher Auslöser des Aufstands war die reformatorische Bewegung: Mit ihr gingen ein Autoritätsverlust der Kirche und der Ruf nach einer radikalen Umgestaltung der Gesellschaft auf der Grundlage der Heiligen Schrift einher.

In der Frage ihrer Ziele – wie weit die Neuordnung der Gesellschaft gehen sollte – waren sich die Aufständischen uneinig. Das zeigt sich etwa an zwei verschiedenen Forderungskatalogen der Bauern und Bürger, die sich bei Frankenhausen versammelt hatten. Anfang Mai 1525 wurden zum einen 14 moderate Artikel aufgestellt, zum anderen vier Artikel, die unter dem Einfluss Thomas Müntzers (ca. 1489-1525) entstanden und auf die sich die lokalen Obrigkeiten, die Grafen von Schwarzburg und Stolberg, verpflichten mussten. An den letzteren vier Artikeln, die der vorliegenden Edition zugrunde liegen, zeigt sich die Radikalisierung der Forderungen der Aufständischen:
1. Gottes Wort (die Bibel) sollte ungehindert im evangelischen Sinn gepredigt werden dürfen.
2. Die Aufständischen verlangten die freie Nutzung der Wälder, Gewässer und Weiden sowie das Jagdrecht.
3. Die Grafen von Schwarzburg und Stolberg sollten ihre Schlösser bis auf eines zerstören und die dort lagernden Nahrungsmittel den Aufständischen überlassen.
4. Schließlich forderten die Bauern und Bürger, dass die genannten Grafen auf ihren Herrschaftsanspruch und ihre Herrschaftsrechte verzichteten.
Die Punkte 1 und 2 finden sich auch in den „Zwölf Artikeln“ der oberschwäbischen Bauern, die im ganzen Aufstandsgebiet verbreitet waren, und in den 14 gemäßigten Frankenhäuser Artikeln. Während in den letzteren Artikeln u.a. die Aufhebung bzw. Reduzierung verschiedener Abgaben, die Abschaffung von Privilegien und von Diensten, zu denen die Untertanen verpflichtet waren, sowie politische Mitbestimmungsrechte gefordert wurden, verlangten die hier vorliegenden Artikel 3 und 4 nicht weniger als den Verzicht der Obrigkeit auf ihre Herrschaft. Die Schlösser bzw. Burgen der Grafen (Artikel 3) repräsentierten zum einen – wie ihre „großen Titel“ (Artikel 4) – ihren Herrschaftsanspruch, zum anderen dienten sie der – notfalls gewaltsamen – Erhaltung der bestehenden Gesellschafts- und Sozialordnung. Zum anderen benötigten die in sehr großer Zahl versammelten Bauern die Nahrungsmittel, die sich auf den herrschaftlichen Schlössern befanden. Auch wenn die genannten Grafen nicht völlig auf ihre wirtschaftlichen Rechte verzichten sollten (Artikel 4), hätte die Umsetzung dieses Programms eine revolutionäre Neuordnung der Gesellschaft bedeutet.

Die Aufständischen in Frankenhausen behielten allerdings nicht lange die Oberhand. Bereits am 15. Mai 1525 wurden sie in der Schlacht bei Frankenhausen von Soldaten verbündeter Fürsten vernichtend geschlagen.
Literatur:
Manfred Bensing, Thomas Müntzer und der Thüringer Aufstand 1525. Berlin 1966, insbes. S. 119-126, 136-140.
Peter Blickle, Die Revolution von 1525. 4., durchges. und bibliogr. erw. Aufl. München 2004.
Rudolf Endres, Thüringen, in: Horst Buszello/Peter Blickle/Rudolf Endres (Hrsg.), Der deutsche Bauernkrieg. 3., bibliogr. erg. Aufl. Paderborn/München/Wien/Zürich 1995, S. 154-176.
Volker Graupner, Die Dorfgemeinden und ihre Artikel im Bauernkrieg, in: Günter Vogler (Hrsg.), Bauernkrieg zwischen Harz und Thüringer Wald. (Historische Mitteilungen, Bd. 69.) Stuttgart 2008, S. 347-361.
Günter Vogler (Hrsg.), Bauernkrieg zwischen Harz und Thüringer Wald. (Historische Mitteilungen, Bd. 69.) Stuttgart 2008.
Günter Vogler, Schlösserartikel und weltlicher Bann im deutschen Bauernkrieg, in: Gerhard Brendler/Adolf Laube (Hrsg.), Der deutsche Bauernkrieg 1524/25. Geschichte – Traditionen – Lehren. (Schriften des Zentralinstituts für Geschichte, Bd. 57.) Berlin 1977, S. 113-121; abgedruckt auch in: Peter Blickle (Hrsg.), Der deutsche Bauernkrieg von 1525. (Wege der Forschung, Bd. 460.) Darmstadt 1985, S. 425-438.
Nachweis früherer Editionen:
Felician Gess (Hrsg.), Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen. Bd. 2: 1525-1527. Leipzig/Berlin 1917, S. 336, Anm. 1.
Reiner Groß/Manfred Kobuch/Ernst Müller (Red.), Martin Luther 1483-1546. Dokumente seines Lebens und Wirkens. Dokumente aus staatlichen Archiven und anderen wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik. Im Jahre des 500. Geburtstages Martin Luthers mit Unterstützung des Martin-Luther-Komitees hrsg. v. der Staatlichen Archivverwaltung der DDR. Weimar 1983, Nr. 114, S. 159, 355f.
Walter Zöllner (Bearb.), Zur Geschichte des großen deutschen Bauernkrieges (Dokumente und Materialien). Berlin 1961, Nr. 43, S. 115 (z.T. moderne Übertragung).
Bemerkung:
laut Gess, Akten und Briefe, S. 336, Anm. 1 lautet der Rückvermerk:
Der grafen von Stolberg und Schwarzburg artikel.