Schaufenster in die Reformationsgeschichte

Das Ausstellungsmodul des Projekts präsentiert in einem „Schaufenster“ ausgewählte Dokumente aus der Reformationszeit. Ergänzend zum Digitalisat finden sich jeweils eine Transkription, eine historische Erläuterung und eine Übertragung ins moderne Deutsch, in einigen Fällen auch ins Englische. So werden die Inhalte auch für den heutigen Leser mit geringeren Vorkenntnissen verständlich.
 

Die Dokumente sind verschiedenen, teils auch mehreren Schlagworten zugeordnet. So findet man z. B.  die Bannandrohungsbulle gegen Martin Luther unter „Leo X.“ oder unter „Martin Luther“ wieder.

Viel Vergnügen beim Stöbern und Erkunden!

Herzog Johann der Beständige dankt Landgraf Philipp für seinen Beistand für das Stift Großburschla während des Bauernkriegs und weist gleichzeitig dessen Anspruch auf eine Mitherrschaft über das Stift zurück

Historische Einordnung:
Das Kloster Großburschla wurde wohl im 9. Jahrhundert als Propstei (Eigenkloster) der Abtei Fulda gegründet und nach Zerstörungen im 12. Jahrhundert in ein Kollegiatstift mit der Augustiner-Chorherrenregel umgewandelt. Die Vogtei in Großburschla gelangte von den Landgrafen von Thüringen an die Herren von Treffurt, mit deren Besitz sie 1336 in die gemeinsame Verwaltung von Sachsen, Hessen und Kurmainz überging (Ganerbschaft Treffurt). Im 16. Jahrhundert erhöhten sowohl Sachsen als auch Hessen den Territorialisierungsdruck auf die Kirchengüter. Die Landgrafen hatten das Stift 1480 in ihren Schutz und 1519 in ihren „besonderen“ Schutz genommen und als Gegenleistung dafür zehn Wiesen bei Altenburschla im hessischen Amt Wanfried erhalten. Das war die Situation zu Beginn des Bauernkriegs 1525.
Die Erhebung der Bauern stieß in Osthessen und Thüringen bekanntlich auf besonders starke Resonanz. Von den Zügen gegen die weltlichen und geistlichen Grundherren war auch das Stift Großburschla betroffen, es ist von „Plünderung und Verwüstung“ die Rede. Die Fürsten reagierten darauf unterschiedlich: Während sich Herzog Johann von Sachsen auf Anraten seines regierenden Bruders gegenüber den Bauern defensiv verhielt und die Lage von Weimar aus beobachtete, stieg der ungleich jüngere Landgraf Philipp von Hessen in den Sattel und ging entschieden gegen die Aufständischen vor. Am 24. April zog er in das hessische Alsfeld, am 28. April nahm er Hersfeld ein, kurz darauf (vor dem 2. Mai) Treffurt und am 3. Mai Fulda. Zusammen mit Treffurt muss er auch Großburschla eingenommen haben. In Fulda erreichten Philipp Schreiben der Herzöge Johann und Georg von Sachsen vom 27. und 29. April mit der dringenden Bitte weiter nach Thüringen zu ziehen. Obwohl auch die eigenen Lande am Main bedroht waren, entschloss sich Philipp, dieser Aufforderung zu folgen. Neben der verwandtschaftlichen Solidarität – der Ernestiner Johann war Philipps Onkel, der Albertiner Georg sein Schwiegervater – und kriegsstrategischen Überlegungen dürfte dabei auch das Kalkül eine Rolle gespielt haben, in den Besitzungen der Nachbarn herrschaftliche Präsenz zu zeigen.
Philipps Engagement hatte seinen Preis. Die eroberten Orte mussten Brandschatzungen (das heißt Zahlungen für den Verzicht auf Plünderung) entrichten und die geistlichen Herrschaften hohe Kontributionen zu den Kriegskosten leisten. Darüber hinaus versuchte Philipp seine Herrschaftsrechte auszudehnen. Nachdem der Abt von Fulda während der hessischen Herrschaftskrise zu Beginn des Jahrhunderts versucht hatte, die Abtei Hersfeld nach Fulda zu inkorporieren, nutzte Philipp nun die Situation, um Hersfeld endgültig an Hessen zu binden. Fulda selbst wurde ein Vertrag aufgezwungen, in dem der Abt eine ewige Dienstbarkeit der Abtei und ein besonderes Schutzrecht des Landgrafen – auch das ein möglicher Einstieg in eine künftige Unterwerfung – anerkennen sollte. Der Abtei gelang es jedoch, durch geschicktes Taktieren die Ratifizierung dieses Vertrags zu verhindern. Philipp besetzte daraufhin am 28. Januar 1526 Fulda ein zweites Mal, doch hatte sich die politische Lage nun schon so weit gewendet, dass er mit seinen Forderungen nicht mehr durchdringen konnte. Auch in der eroberten Reichsstadt Mühlhausen setzte Philipp vorübergehend seinen Fuß in die Türe. Bis 1548 blieb sie unter der gemeinsamen Herrschaft von Philipp und seinen sächsischen Vettern.
In der Ganerbschaft Treffurt und in Großburschla versuchte Philipp, die herrschaftlichen Gewichte zugunsten Hessens zu verschieben und das „besondere Schutzrecht“ Hessens auszubauen. Auf dieses Ansinnen reagiert das vorliegende Schreiben Johanns des Beständigen. Der Herzog dankt Philipp für seinen militärischen Einsatz für Großburschla, relativiert ihn aber gleichzeitig, indem er auf eine gemeinsame Übereinkunft verweist, und tritt sodann Philipps Anspruch einer unmittelbaren Mitunterstellung des Stifts unter Hessen (on alle mittel mituntterworffen) entschieden entgegen. Schon rhetorisch bekräftigt das Schreiben die eigenen Ansprüche, indem es stets von „unserem“ Stift und den „Unseren“ spricht. Wie häufig im diplomatischen Verkehr, unterstellt es Philipp ein Missverständnis, das auf schlechter Unterrichtung beruhe, vermeidet damit eine direkte Konfrontation und ermöglicht dem Gegenüber einen gesichtswahrenden Rückzug von seinen Forderungen. In der Sache wird darauf verwiesen, dass in der Vergangenheit nur ein Schutzbündnis mit Hessen bestanden habe (nicht ohne den Hinweis, dass auch das nur mit Zustimmung der eigenen Vorfahren zustandegekommen sei) und fordert Philipp dazu auf, es bei dem von den Vorfahren abgesteckten Rahmen zu belassen und keine darüberhinausgehenden Forderungen an das Stift zu stellen.

Dem Stift Großburschla nützte dieser Konflikt der mächtigen Nachbarn wenig. Einmal in ihren Sog geraten, konnte es diesem Druck langfristig nicht standhalten: 1530 konnte Philipp den ersten evangelischen Pfarrer in der Leutkirche von Großburschla installieren, während hessische Amtleute nun zunehmend die Einhebung von Zinseinkünften beanspruchten. 1556 gelang Kursachsen mit der Beschlagnahmung des Klosterarchivs der Zugriff auf die Güterverwaltung. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Stift von Hessen besetzt. 1650 wurde es zwar an Fulda zurückgestellt, kurz darauf aber vom Abt durch die Verlegung in die Stadt Fulda aus der Gefahrenzone herausgenommen. Auf diese Weise konnte das Stift zwar nicht räumlich, aber immerhin institutionell bis zur großen Säkularisation von 1803 weiterbestehen.
Literatur:
Wolfgang Breul-Kunkel, Herrschaftskrise und Reformation. Die Reichsabteien Fulda und Hersfeld ca. 1500–1525. (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte, Bd. 71.) Gütersloh 2000, S. 270–304.
Wilhelm Falckenheiner, Philipp der Großmütige im Bauernkriege. Marburg 1887, S. 28–41.
Georg Kohlstedt, Die Benediktinerpropstei und das spätere Kollegiatstift Großburschla an der Werra. (9. Jahrhundert bis 1650.) (Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte, Bd. 9.) Leipzig [1965], S. 60–70.
Georg Kohlstedt, Großburschla. In: Monika Lücke/Christof Römer (Bearb.), Die Mönchsklöster der Benediktiner in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen. (Germania Benedictina, Bd. 10.1.) St. Ottilien 2012, S. 545–558.
Bemerkung:
Der Ausstellungsort ist nicht lesbar.