Schaufenster in die Reformationsgeschichte

Das Ausstellungsmodul des Projekts präsentiert in einem „Schaufenster“ ausgewählte Dokumente aus der Reformationszeit. Ergänzend zum Digitalisat finden sich jeweils eine Transkription, eine historische Erläuterung und eine Übertragung ins moderne Deutsch, in einigen Fällen auch ins Englische. So werden die Inhalte auch für den heutigen Leser mit geringeren Vorkenntnissen verständlich.
 

Die Dokumente sind verschiedenen, teils auch mehreren Schlagworten zugeordnet. So findet man z. B.  die Bannandrohungsbulle gegen Martin Luther unter „Leo X.“ oder unter „Martin Luther“ wieder.

Viel Vergnügen beim Stöbern und Erkunden!

Augsburger Bekenntnis (früheste deutschsprachige Version der Confessio Augustana von der Hand Spalatins)

Signatur:
ThHStAW, EGA, Reg. E 129
Seitenangabe:
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Datierung:
zwischen 31.5. und 15.6.1530
Überlieferungsform:
Abschrift
Wichtige Orte:
4003614-5, 4050471-2
Historische Einordnung:
Das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) von 1530 ist bis heute die wichtigste lutherische Bekenntnisschrift. Es wurde auf dem Augsburger Reichstag von 1530 von den lutherischen Fürsten und Reichsstädten dem Kaiser Karl V. übergeben.

Der reformatorische Glaube und die in den protestantischen Gebieten durchgeführten Veränderungen in Gottesdienst, Kirchenorganisation und Gesellschaft waren vom Kaiser bisher nur unter Vorbehalt und zeitlich befristet geduldet worden. Karl V. strebte nach der Wiederherstellung der Glaubenseinheit im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Auf Grund seiner Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich, Frankreich und dem Papst war er aber auf die finanzielle und militärische Unterstützung auch der reformatorisch gesinnten Reichsstände angewiesen. Daher war er immer wieder zu Zugeständnissen bereit. Der Augsburger Reichstag von 1530 bot nun den protestantischen Reichsständen die Gelegenheit, über ihren Glauben Rechenschaft abzulegen.
Innerhalb des protestantischen Lagers war es jedoch zu erheblichen theologischen Differenzen (vor allem in der Abendmahlslehre) gekommen, sodass kein gemeinsames Bekenntnis aller evangelischen Strömungen möglich war. Deshalb übergaben der Zürcher Reformator Huldrych Zwingli auf der einen und die oberdeutschen Reichsstädte Straßburg, Memmingen, Lindau und Konstanz auf der anderen Seite dem Kaiser jeweils eigene Bekenntnisse.

Das maßgeblich von Philipp Melanchthon verfasste Augsburger Bekenntnis, das auf die Schwabacher und Torgauer Artikel von 1529/30 aufbaut, besteht aus zwei Teilen:
1. Die Artikel 1-21 behandeln die reformatorische Lehre. Hier wird der Konsens mit den Altgläubigen betont, die den Protestanten Abweichung von der reinen Lehre vorwarfen. Die Reformatoren weisen ihre Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift und der kirchlichen Tradition nach.
2. In den Artikeln 22-28 werden die reformatorischen Veränderungen insbesondere im Kirchenverständnis, in den kirchlichen Gebräuchen und der Liturgie dargelegt und begründet. Erst jetzt geht es um die eigentlich kontroversen Fragen. Die Protestanten hatten – nach ihrem Selbstverständnis – hier lediglich Missstände beseitigt, die sich mit der Zeit in die Kirche eingeschlichen hatten. Besonders brisante Fragen wie das Papsttum oder der Ablass blieben von der Behandlung aber ausgeklammert.

Bei der vorliegenden Handschrift des Augsburger Bekenntnisses handelt es sich um die früheste deutschsprachige Version. Sie stammt von der Hand des Altenburger Superintendenten und kursächsischen Beraters Georg Spalatin. Der wesentliche Inhalt stimmt mit der späteren offiziellen Version der Confessio Augustana überein, auch wenn die Formulierungen manchmal abweichen. An einigen Stellen ist der vorliegende Text, an anderen Stellen der Text der späteren Version ausführlicher. In der vorliegenden Fassung sind die Vorrede, der abschließende Artikel 28 (Von der Vollmacht der Bischöfe) und der Schluss noch nicht vorhanden. Der Artikel 27 über die Klostergelübde wurde später noch deutlich ergänzt.

Nachdem altgläubige Theologen um Johannes Eck eine Widerlegung des Augsburger Bekenntnisses (Confutatio) verfasst hatten, erneuerte Kaiser Karl V. das Wormser Edikt von 1521, das die Verfolgung der Protestanten forderte. Erst durch den Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde das Augsburger Bekenntnis reichsrechtlich anerkannt. Damit waren die von den „Augsburger Konfessionsverwandten“ vertretene Lehre, ihre Gestaltung des kirchlichen Lebens und die kirchlich-gesellschaftlichen Veränderungen legitimiert.
Literatur:
Das Augsburger Bekenntnis. Deutsch. 1530-1980. Revidierter Text. Hrsg. v. Günther Gaßmann in Zusammenarbeit mit Niels Hasselmann, Jürgen Jeziorowski, Gottfried Klapper, Albert Mauder und Lutz Mohaupt. 6. Aufl. Göttingen 1988 (Einleitung, Erläuterungen und Übertragung in das heutige Deutsch; andere Textgrundlage).
Unser Glaube. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Ausgabe für die Gemeinde. Im Auftrag der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) hrsg. v. Amt der VELKD. Redaktionell betreut v. Johannes Hund u. Hans-Otto Schneider. 6., völlig neu bearb. Aufl. Gütersloh 2013, S. 31-97 (Einleitung, Erläuterungen und Übertragung in das heutige Deutsch; andere Textgrundlage).
Ernst Koch, Die kursächsischen Vorarbeiten zur Confessio Augustana, in: Ders., Aufbruch und Weg. Studien zur lutherischen Bekenntnisbildung im 16. Jahrhundert. Berlin 1983, S. 7-19.
Bernhard Lohse, Art. „Augsburger Bekenntnis, Confutatio und Apologie, I. Augsburger Bekenntnis“, in: Theologische Realenzyklopädie. Bd. 4. Berlin 1979, S. 616-628.
Nachweis früherer Editionen:
Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Hrsg. im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930. 2., verb. Aufl. Göttingen 1955, S. XV-XXI, 31-137 (andere Textgrundlage).
Gottfried Seebaß/Volker Leppin (Bearb.), Die Confessio Augustana, in: Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Vollständige Neuedition. Hrsg. von Irene Dingel im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland. Göttingen 2014, S. 65-225 (andere Textgrundlage).
Volker Leppin (Bearb.), Die Confessio Augustana – Texte und Kontexte, in: Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Quellen und Materialien, Bd. 1: Von den altkirchlichen Symbolen bis zu den Katechismen Martin Luthers. Hrsg. von Irene Dingel im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland. Göttingen 2014, S. 75-78 (Teiledition, gleiche Textgrundlage).
Karl Eduard Förstemann (Hrsg.), Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu Augsburg im Jahre 1530. Nach den Originalen und nach gleichzeitigen Handschriften. Bd. 1. Halle 1833, Nr. 103, S. 310-343 (gleiche Textgrundlage).
Das Augsburgische Bekenntnis. Studienausgabe. Hrsg. und erläutert v. Jürgen Lorz im Auftrag des Lutherischen Kirchenamtes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Göttingen 1980 (andere Textgrundlage).
Paul Tschackert [Hrsg.], Die unveränderte Augsburgische Konfession. Deutsch und lateinisch. Nach den besten Handschriften aus dem Besitze der Unterzeichner. Kritische Ausgabe mit den wichtigsten Varianten der Handschriften und dem Textus receptus. Leipzig 1901 (andere Textgrundlage; zur vorliegenden Handschrift: S. 10f.).
Bemerkung:
Kopie von Spalatins Hand; Ausstellungsort erschlossen