Schaufenster in die Reformationsgeschichte

Das Ausstellungsmodul des Projekts präsentiert in einem „Schaufenster“ ausgewählte Dokumente aus der Reformationszeit. Ergänzend zum Digitalisat finden sich jeweils eine Transkription, eine historische Erläuterung und eine Übertragung ins moderne Deutsch, in einigen Fällen auch ins Englische. So werden die Inhalte auch für den heutigen Leser mit geringeren Vorkenntnissen verständlich.
 

Die Dokumente sind verschiedenen, teils auch mehreren Schlagworten zugeordnet. So findet man z. B.  die Bannandrohungsbulle gegen Martin Luther unter „Leo X.“ oder unter „Martin Luther“ wieder.

Viel Vergnügen beim Stöbern und Erkunden!

Martin Luthers Hausrechnung über Vermögen und Geldausgaben

Signatur:
HStAD, 10024, Loc. 8703/07
Seitenangabe:
Array
Datierung:
[Ende 1541/Anfang 1542]
Wichtige Orte:
4066640-2
Historische Einordnung:
Im Jahr 1525 hatte der Reformator Martin Luther die ehemalige Nonne Katharina von Bora geheiratet. Das Ehepaar bekam zwischen 1526 und 1534 sechs Kinder, wobei eines der Mädchen bereits im Alter von acht Monaten, eine weitere Tochter im September des Jahres 1542 dreizehnjährig verstarb. Dem lutherschen Haushalt gehörten darüber hinaus – teils über kürzere, teils über längere Zeit – noch weitere Personen, wie z. B. Katharinas Tante und andere Verwandte, Diener und Mägde oder Schüler und Studenten, an. Martin Luther galt generell als gastfreundlich, freigiebig und hilfsbereit.
Dem großen Haushalt mit seinen vielfältigen Verpflichtungen stand ein – im Verhältnis zu den Ausgaben – eher kleines Einkommen gegenüber. Seit seiner Eheschließung hatte Luthers jährliches Gehalt, welches er als Universitätsangehöriger vom sächsischen Kurfürsten bezog, bei 200 Gulden gelegen, später wurde es ihm auf 300 und zuletzt auf 400 Gulden erhöht. Zusätzlich erhielt er Zuwendungen in Form von Naturalien. In seinen letzten Lebensjahren bekam er zudem 50 Gulden Zinsen auf einen vom Kurfürsten für ihn angelegten Geldbetrag und eine Zuwendung vonseiten des dänischen Königs. Von der Stadt Wittenberg erhielt er für seine Dienste als Prediger kein Gehalt, aber ab und an – wie auch von anderer Seite – Geschenke. Auch für seine Vorlesungen und die Veröffentlichung seiner Schriften nahm er kein Honorar. Über die Zuwendungen des Kurfürsten hinaus standen Luther also kaum weitere Einnahmequellen zur Verfügung. Seine jährlichen Haushaltsausgaben veranschlagte Luther 1532 nur für die Küche hingegen selbst auf 500 Gulden.
Die Organisation des Haushalts legte Martin Luther in die Hände seiner Frau, die offenbar über größeres wirtschaftliches Geschick und einen größeren Hang zur Sparsamkeit als ihr Ehemann verfügte. Sie bewirtschaftete den lutherschen Grundbesitz, um dessen Erweiterung sie sich bemühte, ließ unter anderem Ställe errichten, baute in den Gärten allerlei Obst und Gemüse an und braute hauseigenes Bier. Dadurch, dass sie einen großen Teil der im Haushalt benötigten Nahrungsmittel selbst herstellte, sowie durch die Beherbergung von Studenten und die Verköstigung von Tischgästen gegen eine Aufwandsentschädigung trug sie gleichzeitig zum Familieneinkommen bei.
Angesichts des großen zu versorgenden Hausstandes und der Unausgewogenheit zwischen Einnahmen und Ausgaben verwundert es nicht, dass Luther sich Gedanken über die Finanzierung seines Haushalts machte und Notizen und Aufstellungen über die notwendigen und getätigten Aufwendungen erstellte. Eine solche uns überlieferte „Hausrechnung“ Luthers gewährt Einblicke in die Vermögensverhältnisse und das häusliche Leben der Familie Luther. So enthält diese unter anderem eine Auflistung über zahlreiche Lebensmittel und Alltagsgegenstände für Haus und Hof sowie über Handwerkerleistungen, für die Ausgaben anfielen. Außerdem erfahren wir, dass am „Schwarzen Kloster“, welches der Familie Luther als Wohnhaus diente, einige teils kostspielige bauliche Maßnahmen notwendig waren. Auch Luthers persönliche Beziehungen werden, insofern als wir erfahren, wem Luther Geld zu welchem Zweck lieh und von wem er seinerseits Geld oder Sachgegenstände als Leihgabe oder Geschenk erhielt, beleuchtet.
Literatur:
Tibor Fabiny, Martin Luthers letzter Wille. Das Testament des Reformators und seine Geschichte. Berlin 1983, S. 22.
Ernst Kroker, Katharina von Bora. Martin Luthers Frau. Berlin [1939], S. 94-95.
Georg Rietschel, Luther und sein Haus. Leipzig 1917, S. 36-37.
Albrecht Thoma, Katharina von Bora. Geschichtliches Lebensbild. Berlin 1900, S. 51-99.
Nachweis früherer Editionen:
D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Briefwechsel. 9. Bd. 1540 - 28. Februar 1542. Weimar 1941, S. 579-587.
Dr. Martin Luthers Briefwechsel. Bearbeitet und mit Erläuterungen versehen von Ernst Ludwig Enders. Fortgesetzt von Gustav Kawerau. 15. Bd. Briefe vom November 1542 bis März 1544. Leipzig 1914, Nr. 3226, S. 57-65.
Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften. Herausgegeben von Georg Walch. 21. Bd. 2. Teil. Dr. Luthers Briefe. St. Louis 1904, Nr. 2979, Sp. 2820-2827.
Karl Seidemann, Luthers Hausrechnung, nebst zwei Briefen, in: Zeitschrift für die historische Theologie 16 (= NF. 10), 1846, Nr. 14, S. 411-418.
Bemerkung:
Ausstellungsort und Datierung nach: Reiner Groß/Manfred Kobuch/Ernst Müller (Red.), Martin Luther 1483-1546. Dokumente seines Lebens und Wirkens. Weimar 1983, Nr. 169, S. 223.