Schaufenster in die Reformationsgeschichte

Das Ausstellungsmodul des Projekts präsentiert in einem „Schaufenster“ ausgewählte Dokumente aus der Reformationszeit. Ergänzend zum Digitalisat finden sich jeweils eine Transkription, eine historische Erläuterung und eine Übertragung ins moderne Deutsch, in einigen Fällen auch ins Englische. So werden die Inhalte auch für den heutigen Leser mit geringeren Vorkenntnissen verständlich.
 

Die Dokumente sind verschiedenen, teils auch mehreren Schlagworten zugeordnet. So findet man z. B.  die Bannandrohungsbulle gegen Martin Luther unter „Leo X.“ oder unter „Martin Luther“ wieder.

Viel Vergnügen beim Stöbern und Erkunden!

Martin Luther berichtet Nikolaus Hausmann von der Geburt seines ersten Sohnes Hans

Signatur:
LASA, Z 8, Nr. 293
Seitenangabe:
Array
Datierung:
13. Juni 1526
Überlieferungsform:
Ausfertigung
Wichtige Orte:
4066640-2
Historische Einordnung:
In seinem Brief vom 13. Juni 1526 verkündete Luther freudig seinem engen Vertrauten Nikolaus Hausmann (um 1479-1538) die Geburt seines Sohnes, Johannes (Hans) Luther. Das erste Kind des Reformators war am 7. Juni geboren und noch am selben Tag von Georg Rörer (1492-1557) getauft worden.
Die Gründung einer Familie stellte einen radikalen Bruch mit Luthers ursprünglichem Lebensentwurf dar. Denn 1505 war er in das Augustinereremitenkloster in Erfurt eingetreten, erhielt 1507 die Priesterweihe und verschrieb sich somit der Einhaltung des Zölibats, also dem Versprechen, in eheloser Keuschheit zu leben.
Auch nach seinem Klosteraustritt hielt Luther zunächst an der monastischen Lebensweise fest. Erst sein Aufenthalt auf der Wartburg von 1521 bis 1522 ließ ihn wieder eine weltliche Lebensart annehmen. Hier griff er auch die bereits länger anhaltende Kritik am Mönchsgelübde in seinen Schriften auf. In der Schrift „De votis monasticis“ („Von den Mönchsgelübden“) wiederlegte er das Mönchsgelübde mit der Heiligen Schrift und beschrieb die Pflicht eines guten Christen, in der Welt zu leben und eine Familie zu gründen. Daraufhin kam es zu zahlreichen Klosteraustritten und Verehelichungen von ehemaligen Nonnen und Mönchen.
Nach der Rückkehr Luthers nach Wittenberg thematisierte er weiter die Ehe in seinen Schriften, half geflohenen Nonnen aus dem Kloster Nimbschen bei Grimma, die nicht in ihre Familien zurückkehren konnten, sich zu verheiraten oder anderweitig zu versorgen und ermunterte andere fleißig dabei, in den Ehestand zu treten.
Nur Luther selbst blieb seinem alten, monastischen Lebensstil noch lange treu. Erst langsam beugte er sich einem gewissen Druck von außen. So hatte sich zum einen das Wittenberger Augustinerkloster rasch geleert und konnte für den Lebensunterhalt seiner verbliebenen Bewohner nicht mehr aufkommen. Zum anderen drängten die Befürworter Luthers danach, dass er seinen Worten bezüglich der Priesterehe Taten folgen lassen solle. Zum finalen Bruch mit seinem eigenen Ordensgelübde kam es, als er Katharina von Bora (1499-1552), die Tochter des mittellosen Adligen Hans von Bora und die letzte übrig gebliebene Nonne aus Nimbschen, am 27. Juni 1525 ehelichte. Für viele Außenstehende kam dies überraschend; die Eheschließung stellte zunächst auch eher einen rationalen Entscheidungsprozess Luthers dar, indem er die Erwartungen seines Vaters, Hans Luders, den Familienfortbestand zu sichern, nachkam, die auf Hilfe angewiesene Katharina versorgt wissen und seinen Befürwortern mit einer „Exempel-Hochzeit“ genüge tragen wollte. Die Ehe selbst aber entwickelte sich recht schnell zu einer glücklichen. Gemeinsam hatten Luther und Katharina sechs Kinder, Johannes (1526-1575), Elisabeth (1527-1528), Magdalena (1529-1542), Martin (1531-1565), Paul (1533-1593) und Margarete (1534-1570), zu denen Luther eine innige Beziehung pflegte. Luthers Haushalt, in dessen Zentrum die gebildeten Eheleute mit ihren (vielen) Kindern standen und der zugleich einen öffentlichen Ort der Zusammenkunft und des Austausches darstellte (Tischgesellschaften), wurde zum späteren Vorbild einer christlichen Lebensführung und Bildung sowie zum Ideal des evangelischen Pfarrhauses.
Literatur:
Martin Brecht, Martin Luther. Bd. 2: Ordnung und Abgrenzung der Reformation 1521-1532. Stuttgart 1986.
Ulrich Köpf, Art. Mönchtum, in: Albrecht Beutel (Hrsg.), Luther Handbuch. 2. Aufl. Tübingen 2010, 50-57.
Heinz Schilling, Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs. 2., durchges. Aufl. München 2013.
Elke Strauchenbruch, Luthers Kinder. Leipzig 2010.
Nachweis früherer Editionen:
Johann Aurifaber (Hrsg.), Continens Scriptas Ab anno Millesimo quingentesimo vigesimosecunduo, vsq[ue] in annum vigesimum octauum. (Epsitolarum Martini Lutheri 2) Jena 1565, 316b. [vollständig]
Wilhelm Martin Leberecht de Wette (Hrsg.), Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedenken: vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet, Bd. 3. Berlin 1827, 116. [vollständig]
Ernst Ludwig Enders (Hrsg.), Dr. Martin Luther‘s Briefwechsel, Bd. 5: Briefe vom September 1524 bis Dezember 1526, nebst Nachträgen. Leipzig 1893, 359. [vollständig]
Johann Georg Walch (Hrsg.), Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften, Bd. 21, Teil 1: Dr. Luthers Briefe nebst den wichtigsten Briefen, die an ihn gerichtet sind, und einigen anderen einschlagenden interessanten Schriftstücken. Briefe vom Jahre 1507 bis 1532 incl., aufs Neue herausgegeben im Auftrag des Ministeriums der deutschen ev. luth. Synode von Missouri, Ohio und anderen Staaten. St. Louis 1903, 869. [vollständig, deutsche Übersetzung]
D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe, Briefwechsel Bd. 4 (Briefe 1526–1528). Weimar 1933, Nr. 1018, 88. [vollständig]
Bemerkung:
Orig.; 1 Blatt, Papier, 20,4 x 11,5 cm, beidseitig beschrieben, Brief, Rückseite: Adresse; Verschlusssiegel des Ausstellers; Eigenhändige Ausfertigung