Schaufenster in die Reformationsgeschichte

Das Ausstellungsmodul des Projekts präsentiert in einem „Schaufenster“ ausgewählte Dokumente aus der Reformationszeit. Ergänzend zum Digitalisat finden sich jeweils eine Transkription, eine historische Erläuterung und eine Übertragung ins moderne Deutsch, in einigen Fällen auch ins Englische. So werden die Inhalte auch für den heutigen Leser mit geringeren Vorkenntnissen verständlich.
 

Die Dokumente sind verschiedenen, teils auch mehreren Schlagworten zugeordnet. So findet man z. B.  die Bannandrohungsbulle gegen Martin Luther unter „Leo X.“ oder unter „Martin Luther“ wieder.

Viel Vergnügen beim Stöbern und Erkunden!

Nikolaus von Amsdorf dankt Friedrich dem Weisen für seine Entlassung nach Magdeburg.

Signatur:
ThHStAW, EGA, Reg. H 1
Seitenangabe:
Array
Datierung:
11.8.1524
Überlieferungsform:
Ausfertigung
Wichtige Orte:
4066640-2, 4036934-1
Historische Einordnung:
Bereits 1521 wurde in der Stadt Magdeburg lutherisch gepredigt und es kam zu Angriffen und Schmähschriften gegen Mönche und Geistliche. Obwohl der Rat zunächst eine zögernde bzw. ablehnende Haltung einnahm, konnte sich infolge der Unruhen des Jahres 1524 die reformatorische Bewegung in der Altstadt durchsetzen. Auf Bitten des Bürgermeisters Nikolaus Sturm kam Martin Luther Ende Juni nach Magdeburg, um mit dem Rat über die kirchliche Neuordnung zu verhandeln und zu predigen.
Der Magdeburger Rat berief auf Empfehlung Luthers Nikolaus von Amsdorf (1483-1565) auf die Pfarrstelle St. Ulrich. Amsdorf war ein enger Vertrauter und Kollege Luthers an der Universität Wittenberg. Der Rat bat Amsdorfs Dienstherrn, Kurfürst Friedrich den Weisen von Sachsen, diesen für ein Jahr für dieses Amt zu beurlauben und ihm in dieser Zeit weiterhin sein Gehalt am Wittenberger Allerheiligenstift zu gewähren. Wie im vorliegenden Brief erwähnt, ließ der Kurfürst Amsdorf durch seinen Beichtvater und Sekretär Georg Spalatin seine Zustimmung mitteilen. Offenbar hatte auch er ein Interesse an der Stärkung der reformatorischen Kräfte im Erzstift Magdeburg, das an sein Herrschaftsgebiet angrenzte. Wohl auf Grund der Tatsache, dass es in Magdeburg zur Zerstörung von Heiligenbildern und gewaltsamen Handlungen gegen Geistliche gekommen war, forderte der Kurfürst Amsdorf außerdem auf, an seiner neuen Wirkungsstätte für eine geordnete Durchführung der Reformation einzutreten. Mit dem vorliegenden Schreiben bedankte sich Amsdorf bei Friedrich für die Erlaubnis, die Magdeburger Pfarrstelle antreten zu dürfen. Außerdem versicherte er ihm seine Ergebenheit und Treue sowie sein Bemühen um die Verhinderung von Aufständen.

Als Amsdorf Ende September 1524 nach Magdeburg kam, erhielt er neben seiner Pfarrstelle auch das Amt des Superintendenten. Er führte den Gottesdienst nach Luthers Modell ein und trat einerseits gegen altgläubige Prediger auf, andererseits gegen reformatorische Strömungen, die nach einer weitergehenden Umgestaltung der Gesellschaftsordnung strebten. Unter dem Einfluss Amsdorfs wurde zudem eine neue Lateinschule eingerichtet, die der bisher in Wittenberg wirkende Theologe und Reformator Caspar Cruciger d. Ä. bis 1528 leitete.
Die reformatorischen Neuerungen geschahen gegen den Willen des Domkapitels und des eigentlichen Magdeburger Stadtherrn, des Erzbischofs und Kardinals Albrecht von Brandenburg. Dieser beantragte die Reichsacht und den Bann gegen Magdeburg, konnte damit aber die Reformation nicht rückgängig machen. Im Gegensatz zur Altstadt konnte sich die Reformation in den Magdeburger Vorstädten Neustadt und Sudenburg nicht durchsetzen. Diese wurden, wie das übrige Magdeburger Stiftsgebiet, erst später nach und nach evangelisch.
Amsdorf blieb nicht nur ein Jahr, sondern – mit Unterbrechungen – bis 1542 in Magdeburg, als er evangelischer Bischof von Naumburg-Zeitz wurde. Infolge der Auseinandersetzungen um das „Augsburger Interim“ (1548), das u. a. wegen der befohlenen Wiedereinführung der altgläubigen Kirchenzeremonien eine existenzielle Bedrohung der Protestantismus im Heiligen Römischen Reich darstellte, kehrte er allerdings wieder nach Magdeburg zurück. Die Stadt wurde zum Zentrum des publizistischen Widerstands gegen die rekatholisierende Religionspolitik des Kaisers Karl V.
Literatur:
Helmut Asmus/Ingelore Buchholz/Manfred Wille (Red.), Geschichte der Stadt Magdeburg. Hrsg. vom Rat der Stadt Magdeburg. Berlin 1975, S. 70-83.
Friedrich Hülße, Die Einführung der Reformation in der Stadt Magdeburg. Magdeburg 1883, S. 89-114.
Franz Schrader, Magdeburg, in: Anton Schindling/Walter Ziegler (Hrsg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650. Bd. 2: Der Nordosten. (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 50.) Münster 1990, S. 68-86.
Hans Stille, Nikolaus von Amsdorf. Sein Leben bis zu seiner Einweisung als Bischof in Naumburg. (1483-1542). Diss. phil. Leipzig. Zeulenroda 1937, S. 52-56.
Bemerkung:
Autograph von Amsdorfs Hand